Jugendverbandlich organisierte und engagierte junge Menschen erfahren die Anerkennung als Expert*innen für die eigenen Lebensumstände und handeln von der Gruppenstunde bis in internationale Zusammenhänge hinein in demokratisch verfassten Strukturen. Diese Räume der Selbstorganisation und Selbstermächtigung gilt es zu schützen, zu erweitern und gesamtgesellschaftlich zu verankern. Eine demokratisch verfasste Gesellschaft muss die Interessen aller ihrer Mitglieder berücksichtigen. Die globale Gesundheitskrise und ihr Management haben überdeutlich gezeigt, dass Wünsche, Bedürfnisse und Anliegen junger Menschen nicht im politischen Fokus stehen. Es wurden und werden viele Entscheidungen getroffen, ohne junge Menschen gehört zu haben. Ein Ziel von Kinder-und Jugendbeteiligung ist es, Interessen von jungen Menschen sichtbar zu machen. Es gilt, junge Menschen zu stärken, damit diese ihre Wünsche, Kritik und Vorschläge einbringen können. Dabei darfesnichtbleiben –esgehtum sichtbare Veränderungen und Transparenzüber Entscheidungen. Junge Menschen, die sich beteiligen, sammeln positive Partizipationserlebnisse und fühlen sich ernstgenommen.
Gute Kinder-und Jugendbeteiligung ist in eine kommunale Beteiligungskultur einzubinden und stärkt diese gleichzeitig.
Eine gute, generationengerechte und zukunftsorientierte Politik hört junge Menschen an, orientiert sich an ihren Bedürfnissen und lässtsie mitbestimmen. Kinder-und Jugendbeteiligung aufallen Ebenen mussdaher genau das tun: Erwachsene sind aufgefordert, zuzuhören, zu verstehen, Strukturen laufend zu überdenken und Macht abzugeben. Machtabgabe meint konkrete Entscheidungsmacht über die eigenen Belange. Um diese ausüben zu können, müssen jungen Menschen Ressourcen bereitgestellt werden: Zeit, Räume, Einflusskorridore und Geldmittel.
Jugendbeteiligung muss ein lernendes System sein und sich ständig weiterentwickeln. Eine Evaluation mit vorher festgelegten Kriterien ist richtig und wichtig. Diese Evaluation bietet eine Grundlage für die kontinuierliche Weiterentwicklung von Beteiligungsformaten.
Bedingungen für eine gelungene Beteiligung
Um diese Ziele zu erreichen, braucht es politischen Willen, eine positive Haltung zur Beteiligung und die Selbstverpflichtung, Kinder und Jugendliche zu beteiligen. Ein Ratsbeschluss mit der Verpflichtung aller zur Partizipation junger Menschen kann ein wichtiger erster Meilenstein sein, um die Verbindlichkeit bei allen Akteur*innen deutlich zu machen. Es braucht adäquate Methoden, deren Qualität mit Standards abgesichert wird. Aufgrund der Vielfalt von Lebensumständen, Interessenlagen und Bedürfnissen junger Menschen kann es dabei nicht die eine Methode geben: Vielmehr passt sich gute Jugendbeteiligung an, agiert altersangemessen und diversitätssensibel und steht damit allen jungen Menschen offen. Die Methoden müssen attraktiv sein und das Ergebnis allen Teilnehmenden einen echten Mehrwert bieten: Ein Zugewinn an Gestaltungsmacht der eigenen Umgebung, Erfahrung von Selbstermächtigung und Gemeinsinn oder Erweiterung persönlicher Kompetenzen. Prozesse müssen klar strukturiert und an jeder Stelle transparent gestaltet sein. Das schließt die zeitliche Dauer und alle Fragen von Entscheidungshoheit und Entscheidungsfolgenabschätzung bis zum Budget mit ein. Ein definierter Rahmen bietet Sicherheit und Orientierung für das eigene Handeln. Jungen Menschen muss es möglich sein, diesen Rahmen zu erweitern oder zu sprengen. Für einen gleichberechtigten Zugang müssen alle Informationen für alle gleichermaßen verständlich und zugänglich sein. Nicht zuletzt muss dieser Rahmen Politik, Verwaltung und weitere erwachsene Akteur*innen verpflichten: Zu oft mangelt es Beteiligungsstrukturen an Verbindlichkeit und Verlässlichkeit. Grundsätzlich sind alle Themen Jugendthemen. Kinder und Jugendliche wählen den Gegenstand der Beratung selbst aus. Sind weitere Bevölkerungsgruppen betroffen, sind sie aktiv in die Themenfindung und Beratung mit einzubinden. Es gilt dabei, methodisch und inhaltlich möglichst nah an der Lebensrealität junger Menschen zu bleiben. Dasheißtausdrücklich nicht, dassBeteiligung aufdasNahfeld zu beschränken ist: Junge Menschen müssen Einflussmöglichkeiten aufallen politischen Ebenen haben. Politische Bildung ist eine notwendige Ressource, um Menschen zu befähigen, ihre eigenen Interessen zu definieren, für sie einzustehen, aber auch andere dabei zu begleiten. Daher braucht es Qualifizierungskonzepte für Akteur*innenaufallenEbenen. AußerdembenötigenPartizipationsprozesseeinepädagogischeBetreuung. Hierfür gilt es Ressourcen zur Verfügung zu stellen.
Rolle der Jugendringe
Beteiligung ist ein Kernthema von Jugendverbänden und Jugendringen. In der verbandlichen Jugendarbeit organisieren sich Kinder und Jugendliche selbst. Kommunale Jugendringe haben eine Schlüsselposition in kommunalen Strukturen. Sie sind vielfältig vernetzt und aktiv.2 In der Regel sind Jugendringe in den Jugendhilfeausschüssen vertreten, damit sind sie selbst Teil von Jugendpolitik und stehen im aktiven Austausch mit den politischen Ratsvertretungen vor Ort. Dadurch und mit dem geschärften BlickaufLebensrealitäten und Bedarfe von Kindern und Jugendlichen sind Jugendringe wichtige Ansprechpartner zum Thema Beteiligung junger Menschen in der Kommune. Sie arbeiten in aller Regel diversitätssensibel und versuchen, alle jungen Menschen entsprechend ihrer Interessenslagen für Partizipationsprozesse zu motivieren und einzubinden. Die Erfahrung zeigt, dass ein Mix unterschiedlicher Beteiligungsformate, alters-oder sozialraumbezogen oder zentral organisiert, eine breite Wirkung erzeugt.
Kinder und Jugendliche sollten auch bei Beteiligungsprojekten die Möglichkeit bekommen, sich selbst zu organisieren, wie es in Jugendverbänden von Anfang an der Fall ist. So kann sichergestellt werden, dass die Beteiligung für junge Menschen geeignete Formate hat und sie müssen sich nicht an die Formate der Erwachsenen, wie parlamentarische Gremien und Abläufe, anpassen.
Jugendringe können aufgrund ihrer Schnittstelle zu verschiedenen Akteur*innen und Institutionen als Übersetzer zwischen Verwaltung, Politik und jungen Menschen in Beteiligungsprozessen fungieren.
Forderungen für echte Beteiligung oder: Die Mischung macht’s!
Junge Menschen sind Expert*innen in eigener Sache. Kinder-und Jugendbeteiligung, die ihrem Namen gerecht wird, stärkt daher die Selbstorganisation von Kindern und Jugendlichen.
Sie stärkt Kinder und Jugendliche aus prekären Lebenswelten, denen oft geeignete Strukturen fehlen, um gesellschaftliche Teilhabe zu erlangen.
Das Handeln und Engagement junger Menschen in ihren eigenen Strukturen muss anerkannt und ernst genommen werden. Um ihr Engagement wirksam werden zu lassen, sind verschiedene Formen der Unterstützung nötig. Diese Unterstützungsstrukturen dürfen Themen, Formate und Methoden nicht vorwegnehmen. Um die Vielfaltan Lebensrealitäten in derKommune (und darüber hinaus) abbilden zu können, bedarfeseiner methodischen Vielfalt, die sich an den konkreten Bedarfen junger Menschen vor Ort orientiert. Kein Format allein ist in der Lage, das umfänglich abzudecken. Reines Kopieren von Erwachsenenstrukturen ist nicht zielführend. Es ist zu begrüßen, dass Kinder-und Jugendbeteiligung zunehmend thematisiert wird. Echte Beteiligung wird daraus, wenn sie ernst genommen wird. Die kommunalen Jugendringe als gewachsene Interessenvertretungen junger Menschen vor Ort sind willens und bereit, ihren Ausbau unter dieser Maßgabe mit voranzutreiben.